„Vom Eise befreit sind Strom und Bäche / Durch des Frühlings holden und belebenden Blick. / Im Tale grünet Hoffnungsglück; / Der alte Winter, mit seiner Schwäche, / Zog sich in rauhe Berge zurück. (…) / Überall regt sich Bildung und Streben, / Alles will sie mit Farben beleben; / Doch an Blumen fehlts im Revier/ Sie nimmt geputzte Menschen dafür(…) “
(J. W. von Goethe, Faust 1, Szene Faust und Wagner, 1808)
Vor Ostern wurde das Alltagsleben der Familie Bronner durch ihren lutherischen Glauben geprägt: Die vorösterliche Zeit und die Karwoche wurden von Zurückgezogenheit im eigenen Heim, durch Fasten, Kirchgang und Abendmahl als Zeit der Trauer und Buße bestimmt. Das Osterfest war dagegen von der Hoffung und der Freude über die Auferstehung Christi gezeichnet. Waren die dunklen und strengen Tage der Karwoche das letzte Aufbäumen des Winters, so war das Osterfest nun Symbol des aufbrechenden Frühlings. Das Ende des Sitzens in der dunklen Stube war angebrochen, mit der wärmenden Ostersonne drängten die Menschen hinaus ans Licht und in die grünende Natur. Die Reben im Weinberg bereits im Februar geschnitten, die Ernte des vergangenen Herbstes gut in Fässern in den Weinkellern verwahrt, im Weinberg alles für das Einschießen des Saftes und dem Austrieb der „Augen“ vorbereitet, dazu noch den Rosen fachmännisch den Führjahrsschnitt verpasst – so ließ sich wohl auch bei „Bronners“ alles vorzüglich für die kommende Saison an. Einmal Zeit für die Familie – falls Bronner die Festtage über zuhause war – und hinaus in die frische Luft! Osterspaziergang ist geplant, zu Fuß oder in der Chaise über das Wieslocher Kopfsteinpflaster ratternd. Für Gattin Elisabetha und Tochter Karolina Luisa die beste Gelegenheit, zu zeigen, was modisch angesagt war und was man sich leisten konnte. Die Herren dagegen trugen stolz den schwarzen Tuchrock, das „Ehrenkleid des Bürgertums“, zur Schau.
„Kehre dich um von diesen Höhen / Nach der Stadt zurück zu sehen! / Aus dem hohlen, finstern Tor / Dringt ein buntes Gewimmel hervor. / Jeder sonnt sich heute so gern. /Sie feiern die Auferstehung des Herrn…“ (a.a. O.)
Beim Besuch unseres Museums „Bronner’sches Gartenhaus“ im Park des PZN wird der Besucher von Kleidern empfangen, welche die Mode des „Empire“ bis zum „Directoire“ zeigen. Dieser Stil war in Bronners Jugendzeit absolut Tagesthema. Nach der Französischen Revolution 1789 war es zu einem plötzlichen Modewandel gekommen, denn ab sofort war alles verpönt, was an die Mode des Adels erinnerte. Ein neuer „Arbeiter- und Bauernstil“ mit langen Hosen (nur keine Kniebundhosen!) und kurzen Jacken im Stil englischer Modezeitschriften machten Furore. Seit altgermanischer Zeit trugen die Männer erstmals wieder lange Hosen. Der schwarze Tuchrock, besagtes „Ehrenkleid des Bürgertums“, wurde mit Schärpen oder Kokaden farbig aufgepeppt. Gerne griff man auch zum blauen Rock mit roten Aufschlägen über weißer Weste. „Very British“ waren die bodenlangen Röcke der Frauen mit Westen, Jacken mit Revers sowie der „Rédingote“, einem „riding-coat“.
Die Mode orientierte sich immer weiter am antiken Stil als Vorbild einer neuen bürgerlichen und demokratischen Kultur. Die Damen am großherzoglichen Hof zu Karlsruhe, sei es Josephine, Sophie oder Stephanie, griffen zu betont einfachen, teils durchsichtigen, ärmellosen oder kurzärmeligen Gewändern aus weißem Musselin, trugen Schuhe, die mit Bändern um die Waden geschnürt wurden und hatten die Haare ebenfalls mit Bändern nach oben gesteckt. Ihre Körper sollten betont frei von allen verformenden Hilfsmitteln, wie Reifrock oder Korsett, sein. Das Dekolleté wanderte zum Teil so weit nach unten, dass der Busen fast herausfiel. Die Taille saß direkt unter der Brust. Dies galt übrigens auch für die Männer: Sie zogen ihren Hosenbund hoch über den Bauch, die engen Hosen endeten in wadenhohen Stiefeln, die Jacken waren vorn weggeschnitten und waren damit Vorläufer des Fracks. Der Kragen an den Männerhemden reichte fast bis zu den Ohren („Vatermörder“) und eine übergroße, hohe Krawatte würgte kräftig die Männerhälse. Mit Napoleon kamen auch die farbigen und steifen Stoffe, der Samt und die Stickereien in die Frauenmode. Keinesfalls hoffnungsvolle Aussichten für den Haushalt einer gut-lutherischen Apothekersfamilie in der badischen Amtstadt-Provinz! Keine Mode für die Pfarrerstochter Elisabetha Bronner, geborene Heddäus aus Bibelnheim! Nomen est omen.
„Ich höre schon des Dorfs Getümmel, / Hier ist des Volkes wahrer Himmel, / Zufrieden jauchzt groß und klein: / Hier bin ich Mensch, hier darf ichs sein!“ (a. a. O.)
Ab 1820 wurden die Gewänder steifer, die Röcke in A-Silhouette wurden kürzer, dafür wanderte der Ausschnitt entschieden höher, die Ärmel reichten bis ans Handgelenk. Ende der Freizügigkeit! Das ist Mode für Elisabetha Heddäus! Züchtigkeit des Biedermeier (1820 – 40)!
Die Herren ließen sich ihre bürgerliche Freiheit zunächst nicht nehmen: die „Dandy-Mode“ – dunkle Tuche, perfekter Sitz des Anzugs, blütenweiße Hemden und Zylinder – kam in Mode. Dennoch, brave friedliche Bürgerlichkeit und die Ideale „Familienleben“ und „Häuslichkeit“ prägten diesen Stil genauso wie die Zurschaustellung reichen Großbürgertums. Beim Einordnen der zwei Einzelporträts von Johann Philipp Bronner und seiner Gattin Elisabetha, geb. Heddäus, – ebenfalls als Kopien im „Bronner´schen Gartenhaus“ zu sehen – liegt der Betrachter hier ganz richtig: Der wohlhabende Großbürger ist bewusst dunkel und schlicht gekleidet. Zur langen engen Hose, Überlänge bis unter den Schuh, zum Frack oder Gehrock, trägt Mann eine kunstvoll geknotete Krawatte und Zylinder. Nicht verraten wurde, dass sich die Männer in Korsetts gezwängt hatten, dass sie ab zu eine karierte Hose bevorzugten und dies gerne mit einer kurzen Jacke, dem späteren Jackett, kombinierten.
Schließlich doch Mode für Elisabetha: Nach dem Motto „Pracht entfalten!“ ruschte die Taille tiefer, die Schnürung wurde eng und enger (Korsett!), der Rock mittels Roßhaareinlagen fülliger, mit mehreren Lagen Unterröcken, darunter eine Krinoline zunächst aus teurem Fischbein, später aus dem Massenprodukt Federstahl. Dazu Volants, Garnituren und Deko. Die Ärmel wurden tiefangesetzt und sehr bauschig, V- Ausschnitte, Fältelung der Stoffe, gerne hochgeschlossen am Hals, mit dreieckigen Schultertüchern oder Kaschmirschals. Und zuletzt das Beste: eine dunkle Hochsteckfrisur mit Korkenzieherlocken, zur Abdeckung der seitlichen Sicht und bei Bedarf noch der berühnte Schutenhut aus Stroh und mit fester Schleife unterm Kinn. Fürwahr ein „zweites Rokoko“ und für den „Osterspaziergang“ in der Provinz in damaliger Zeit geradezu ein Muss!