Wie man sich bettet, so wohnt man!

Wohnkultur à la Johann Philipp Bronner

„Wohnen“ zur Zeit Johann Philipp Bronners, also in der Zeit zwischen Napoleonischer Zeit und Biedermeier, ist mit dem modernen Begriff „Wohnkultur“ keinesfalls vergleichbar. Das „Wohnen“ in der Bronner-Zeit wurde von den Leitgedanken der „Nützlichkeit“ und des „Platzsparens“ geprägt. Der Ort der täglichen Arbeit und des Wohnens war größtenteils derselbe. Auch Bronner wohnte und arbeitete unter dem gleichen Dach: Die Apotheke Märklins in der Pfarrgasse/ Kirchgasse war 1815 auch dessen Wohnhaus.

Hygiene im modernen Sinne war ein Luxus der Könige. In Wiesloch existierte zu der damaligen Zeit weder eine Wasserversorgung noch gab es Abwasserleitungen. Wasser wurde aus den vielen Brunnen der Stadt in Kannen und Eimern besorgt, falls nicht – welch ein Luxus! – im eigenen Keller ein Brunnen war.

Das Bild der biedermeierlichen Küche unterscheidet sich in nicht von der Ansicht einer Küche der Barockzeit. Nach wie vor bestimmen die Größe und der Reichtum des Haushalts die Größe der Küche, die um den offenen Kaminherd Töpfe, Kannen, Kasserolen, Tiegel und Gefäße auf einfachen Regalen oder an den Wänden stapelt. Das Abwasser und die Fäkalien entsorgte man entweder in der „Kotrinne“ direkt vor dem Haus, in der oft bereits Etliches von Schwein, Rind und Pferd herumschwamm, oder auf dem eigenen Misthaufen. Stallungen und Wohngebäude standen eng beisammen.

In Wiesloch stank es zum Himmel

Leibstuhl, Großherzogtum Baden, Karlsruhe

Es stank in Wiesloch auf vielerlei Arten. Die Entsorgung der Fäkalien besorgte das Hausmädchen oder die unterste  Magd. Meistens genügte dazu ein Nachttopf, dessen Inhalt in den Koteimer entleert wurde. Aus praktischen Gründen trugen die Frauen meistens keine Unterhosen und wenn – dann waren sie hinten offen. Es war Mühe genug, die Röcke rechtzeitig zu schürzen, wenn sie etwas drückte.

Wer Wert auf Luxus legte, besorgte sich einen „Kackstuhl“ nach dem Vorbild Liselottes von der Pfalz, die ihr geliebtes Möbel hin und wieder brieflich erwähnte. Auf dem „Kackstuhl“ pflegte sie Bücher zu lesen und es ware eine Ehre, ihr diesen hinterhertragen zu dürfen. Der „Leibstuhl“ des Empire /Biedermeierzeit war ein kubisches Meuble aus edlen Hölzern, transportabel und die Krönung der modernen Hygiene.

„Badehäuser“ hatten nur die Fürsten

Gewaschen wurde im Bürgertum mit dem Lavoir, Krug und Schüssel aus Keramik, gebadet entweder gar nicht oder in einer faltbaren Planenwanne. Fürsten dagegen hatten feste Wannen in eigenen Badhäusern, wie zum Beispiel im Schlossgarten von Schwetzingen zu sehen. Das Baden war, in Gegensatz zu den Badegewohnheiten der Bürger, in adligen Kreisen eine gesellschaftliche Sache. Markgraf Wilhelm von Baden schreibt in seinem Tagebuch „Denkwürdigkeiten“ von dem Baden und Schwimmen im Neckar. Dies ging allerdings nur, wenn er auf seiner Domäne Zwingenberg Ferien-Aufenthalt nahm.

Der Wandel von der Unterkunft zur repräsentablen Logis

Bronners Wohnhaus. Es beherbergte lange Jahre das Modehaus Bender, anschließend Bücher Dörner und steht momentan leer (Stand: Mai 2017). Quelle: Stadt Wiesloch

Das bürgerliche „Haus“ der Bronner-Zeit hatte dann sich zunehmend von einer nützlichen Unterkunft zum repräsentablen Logis gemausert. Betrachtet man Bronners Wohnhaus in der Hauptstraße (ehemals Buchhandlung Dörner), so ist zwar die Apotheke noch in das Wohnhaus integriert, das Wohnhaus selbst zeigt jedoch schon eine repräsentative Fassade. Es kündet als „sprechende Architektur“ vom Selbstbewusstsein der überaus wohlhabenden Bürgerfamilie Bronner.

Mit dem Neubau der Apotheke gegenüber (heute „Stadtapotheke“), den Bronner 1858, also mit 66 Jahren und sechs Jahre vor seinem Tod, für seinen Sohn Johann Philipp Georg errichten ließ, brach er mit dieser Tradition. Sein Wohnhaus behielt er an alter Stelle weiter bei und die Apotheke lag als zu seiner Zeit überaus moderner Zweckbau mit Mezzaningeschoss in angenehmer Trennung und Entfernung gerade gegenüber.

Da Bronner das Grundstück für den Neubau als landwirtschaftliches Anwesen, u.a. mit einem Weinkeller, schon vorher besessen hatte, war das Bauvorhaben für ihn keine große Sache. Bis zu seinem Tode behielt er den neuen Apothekenbau, der vom Sohn Johann Philipp Georg eine Zeitlang betrieben wurde, bevor dieser ihn verkaufte und sich ganz dem väterlichen Weingut widmete.

Das Entstehen der „heimischen Idylle“

Um Gäste zu  empfangen – die Familie Bronner empfing beispielsweise die Wieslocher Großbürger-Familien Kußmaul, Greiff, Koch, wichtige Reisende und auch gelegentlich Wilhelm von Baden – bedurfte es eines repräsentablen Salons mit modernem Meublement. In der Intimität der Räume, als deren wichtigster eben diese „gute Stube“ erscheint, lag schon ein guter Teil des anwachsenden romantisch-biedermeierlichen Gefühls mit heimischer Idylle.

Man stelle sich einen Raum vor, in einer hellen Farbe gehalten, die einfachen Möbel braunrot, der Ofen weiß. Die Wände zieren kleine Miniaturen oder Kupferstiche, manchmal findet sich ein typischer Silhouettenschnitt /Scherenschnitt unter Glas und Rahmen.

Wohnraumgestaltung im Biedermeier

Bei aller Einfachheit des Raumes gewinnt er durch den hin und wieder erscheinenden Dekor von Stoffen mit Blumenmustern oder Streifen-Bordüren in leuchtenden Farben. Dazu ein großer Spiegel zur Vervielfachung des Tageslichts, hier eine Topfpflanze, am Fenster eine durftige Gardine oder das Fensterglas sogar ganz frei von Dekoration. Den Boden ziert ein Holzparkett. Wiener Biedermeiermöbel, einfache Sessel, ein bequemer Lehnstuhl, eine dekorative Uhr und natürlich ein Nähtischchen für Frau und Tochter.
War man in der Ausstattung mutig, so fanden sich Möbelstücke im Stile des Neuklassizismus Friedrich Schinkels oder massige Schreibmöbel aus Weichholz. Der Stil dieses Mobiliars entspricht dem Bürgertum dieser Zeit, es vereinigen sich hier die Gedanken des „Zopfstils“ mit vereinfachten Formen des Empires. In Vordergrund steht allerdings vor allem der Anspruch nach Zweckmäßigkeit und Bezahlbarkeit des Interieurs.

Das Bürgertum verlangt nach individuellen Räumen für die Nacht

Auch das Schlafzimmer hat sich verändert. Das Bürgertum verlangt nun – dem Beispiel des Adels folgend – nach individuellen Räumen für die Nacht. Waren vor einigen Jahrzehnten noch sehr viele in einen Raum zum Übernachten „zusammengepfercht“, so bevorzugt die Bronnerzeit das „individuelle“ Gemach mit eigener Bettstelle, Nachttopf im Nachttisch und Lavoir. Gemälde der Bronner-Zeitgenossen  Moritz von Schwindt, Ferdinand Georg Waldmüller oder des Dänen Christoffer Wilhelm Eckersberg geben Einblick in Räume zur Bronner-Zeit.